Montag, 24. Oktober 2011

Nach dem Vorstieg kommt der Fall...

Wie im letzten Post bereits angekündigt, möchte ich noch ein paar Worte zum Falltraining bzw. zum Fall im Vorstieg unseres Kurses verlieren. Es war nicht äußerst erstaunlich, dass Yo beim ersten Versuch (noch unter der Exe stehend) einfach losließ, beim zweiten Versuch (auf Höhe der Exe stehend) nicht viel "bestürzter";-) wirkte und beim dritten Versuch (weit über der letzten Exe stehend) zwar das Gesicht ein bisschen verzog, aber im Großen souverän fiel. Seine knapp 80kg waren gar nicht mehr so leicht zu halten wie im Toprope und ich machte die Erfahrung, dass ich mit ca. 64kg gut und gerne wie ein Geschoß zur Decke ging, wenn er schwungvoll ins Seil fiel. Ich sah nur noch sehr ungern zu, wenn noch leichtere Personen ihn im Vorstieg sicherten. Er war dahingegen noch sehr unbefangen. NOCH! Nun ja, dann war ich dran und schon das Zugucken und Sichern hatte mich völlig eingeschüchtert. Der Unwille zu fallen, ließ mich mal kurz alles in Frage stellen. "Macht Klettern eigentlich Spaß?" "Warum mach ich das alles?" Das Klettern bis zum geplanten Sturzpunkt, war schwerer als jemals zuvor. Erster Versuch (unter der Exe): nicht loslassen können, 5 Minuten rummosern, Frust... dann doch... okay, überlebt! Von unten: "Gleich noch mal!" Zweiter Versuch (immer noch neben der Exe): Etwas schneller... Es gab auch leider schon Zuschauer... "Darf ich wieder runter?" "Nein!" Dritter Versuch (neben der Exe): Schnell loslassen, gar nicht erst nachdenken!" Scheiße war das weit. Beim Fallen auf den Aufprall unten vorbereiten und denken: "Na wenigstens ist es dann vorbei!" Vierter Versuch: Über die Exe klettern, 10 min festhalten, wieder runterklettern, Schweißausbruch, wieder hochklettern, Arme laufen zu, noch mal nachfragen, ob Yo auch wirklich das Seil festhält, noch mal festhalten, die Wand anstarren, Selbstgespräche, Selbstverfluchung... Fallen, Fallen, Fallen... Und überraschender Weise: Überleben! Und ein kleines bisschen gesiegt haben gegen das Monster Angst! ...

Sonntag, 16. Oktober 2011

Genug Seil von oben - "Sprung" in den Vorstieg


Gemäß dem Gesetz, dass man eine 6 solide im Toprope klettern können muss, um das Vorstiegsklettern zu erlernen, meldeten der furchtlose Yo und ich uns bereits im August zum Vorstiegskurs an, obwohl wir erst im Juni den TopropeKurs gemacht hatten.  Motivation war vorerst nicht wie bei vielen, dass sie einfach schwerer klettern wollen. Es gibt selten eine 7 und quasi nie eine 8 im Toprope zu erklimmen; jedenfalls in unserer favorisierten Halle. Soweit waren wir einfach nicht. Aber man hat ja einfach viel mehr Auswahl, wenn einem auch die Routen im Vorstieg zur Verfügung stehen. Bei diesem Kurs, den wir am Kegel in Berlin absolvierten, wurden unsere Unterschiede in Sachen Klettern immer deutlicher...
Zuerst wäre aber zu erwähnen, dass man nicht glauben soll, dass man im Vorstiegskurs alles lernt und dann perfekt fürs Sichern und Klettern in allen Lebenslagen gewappnet ist. Ein bisschen wäre es zu vergleichen mit der Fahrschule. Man erlernt das nötige Werkzeug, um sich im Straßenverkehr zurecht zu finden, aber trotzdem sollte man mit einem großgekennzeichneten A rumfahren, damit die anderen wissen, einem fehlt die nötige Routine und Erfahrung, um auf kleine Abweichungen vom Standard reagieren zu können. All das lernt man erst beim regelmäßigen Fahren bzw. beim Klettern. Erst recht, wenn zwei Grünnasen am Werk sind. Man stirbt halt nicht gleich, aber so eine kleine Verbrennung am Seil ist auf jeden Fall lehrreich in Sachen Seilführung.  Weil wir alle mal klein angefangen haben, möchte ich gern erfahrene Kletterer ermutigen, auch mal ihren Senf dazuzugeben. Selbst wenn sich die A’s als Tarzan und Jane in Indoorversion ausgeben. Die Kommentare, die uns zu Teil wurden, waren durchaus immer angebracht. Also wenn ein Sichernder 8 m von der Wand weg steht, oder jemand immer ganze Beine hinters Seil stellt, wenn falschherum geklippt wird oder ein Sichernder Gefahr läuft den Kletterer auf den Kopf zu bekommen, dann sollte man schon einen dezenten Hinweis geben und auch erklären warum das gerade ungünstig ist... Denn daran scheitert es meistens, dass man das Problem oder die Gefahr nicht erkennt, weil man in dieser und jenen Situation einfach noch nicht war. Neulich hab ich einen Vorstiegskurs belauscht und musste auch da den Kopf schütteln, da so pädagogisch wertvolle Tipps vermittelt wurden wie: „Vor der dritten Exe fällt man einfach nicht!“ Ich denke mir: Klar ist das nicht schön, aber wissen, wie man sich dann am besten verhält, sollte man trotzdem.  
Wir waren unterwegs mit einem absolut eingefleischten Sachsen; wir nennen ihn mal Jens; der uns mit seinem Vorstiegskurs auch gleich mal auf das Klettern draußen vorbereiten wollte. Er warf behände mit Begriffen um sich. Wir dagegen wussten erst mal nicht so richtig, was wir mit Infos wie Prusiken, Abseilen, Stand bauen, Standseil etc. anfangen sollten. Von einem Bekannten, der uns beim Kurs gesehen hatte, wurden wir gefragt, wohin wir verreisen wollen würden, jetzt wo wir auf eine Mehrseillängentour vorbereitet waren... Kopfkratz... „Wir wollten doch nur nen Vorstiegskurs machen!?!?“ Aber nun gut, es sollte die Zeit kommen, wo wir diese Infos noch gebrauchen können würden;-) Nebst unserem ersten kleinen Gipfelbuch, was an der Spitze des Berliner Kegels lauert, gab es für mich eine recht einschneidende Erkenntnis beim Vorsteigen: „Alles ist eine Frage der Perspektive!“ Kurzum ich möchte mich dem Thema Falltraining im Vorstieg widmen und gleich bekannt geben, dass ich fortan im Toprope fast nie wieder, und wenn dann nur in sehr beschränktem Maße, über die Gefahren des Fallens nachdachte. Denn Fallen im Vorstieg verdient einen Post für sich...

Dienstag, 4. Oktober 2011

Die Gefährten - Part III


Die Ehrgeizige ist die Schwester großer Brüder und ließ sich gern von allen möglichen  Chauvi-Sprüchen anspornen. Kaum wurde ein „Das ist eine Männerroute!“ oder ein „Das schaffst du eh (noch) nicht!“ ausgesprochen, hatte sie sich schon ins Seil gebunden. Und obwohl sie im Grunde ihres Herzens ein kleiner großer Angsthase war, brachte das „Großer-Bruder-Ego“ knallharten Antrieb, Erfolg und innerhalb von 5 Wochen die erste 7- im Toprope – „Just pink!“ Ein Balanceakt an einer senkrechten Sloper-Wand. Doch die Ehrgeizige hatte ein Problem, was sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht kannte. Denn abgesehen davon, dass sie ganz gut kletterte, stürzte bzw. fiel sie nicht! Die Angst davor lieferte recht oft das letzte Fünkchen Kraft, um einen schwierigen Zug zu meistern. Die Griffe wurden regelrecht zugeschraubt, was natürlich auch erst mal einen enormen Kraftzuwachs mit sich brachte. Von der Angst vor dem Fall nach oben getrieben, legte sie recht oft innerhalb der Gruppe in einem neuen Leistungsniveau vor. Doch die Angst, die in dieser schnellen Entwicklung leider eine positive Bewertung erhielt, sollte irgendwann nicht mehr der Antrieb, sondern die Bremse ihrer „Kletterkarriere“ werden. Es hieß nicht Kraft oder Beweglichkeit zu trainieren, sondern schlicht die Psyche. Frei nach Alexander Huber: „Die Angst ist ein Berg, den man nicht umgehen kann, sondern einer, den man überwinden muss.“ Im direkten Vergleich ist es wesentlich einfacher Fortschritte in Sachen Kraft und/oder Beweglichkeit zu messen als in Sachen Psyche. Die Einschätzung ist fast völlig subjektiv und oft neigt man sogar dazu, sich schlicht und ergreifend selbst zu verarschen. Ich sagte: „Heute hatte ich fast keine Angst!“, aber ich sage nicht, dass ich heute nur Toprope geklettert bin oder weit unterhalb meiner Leistungsgrenze. Oder man findet auch Ausflüchte und Rechtfertigungen: „Das sollte man gar nicht klettert, das ist WIRKLICH gefährlich!“ Man richtet sich nach der Angst. Sie wird Chef im Ring und das bringt durchaus auch Gefahren mit sich. Wer beispielsweise nicht loslässt, wenn er vom Tritt rutscht, weil er nicht daran glaubt, dass das Seil sein Leben retten wird, geht ein erhöhtes Verletzungsrisiko ein, da er versucht sich noch im Fingerloch oder an der Minileiste mit ganzem Gewicht zu halten. Bei mir führte diese bis dahin blasse Theorie zum Beugesehnenanriss im linken Ringfinger verknüpft mit starken Schmerzen und langer Reha-Phase und kurz darauf zum Beugesehnenanriss im rechten Ringfinger verknüpft mit noch mal starken Schmerzen und langer Reha-Phase. Und zum Dank und Trost bekommt man den ergreifendsten Kommentar überhaupt in dieser Situation zu hören: „Musste einfach mal loslassen!“ Schluck. Grummel, grummel: Ja, hast Recht...“
Mal sehen, ob ihr/mir das gelingt diesen Berg, der in meiner Vorstellung höher misst als jeder 8000er, zu erklimmen.