Dienstag, 27. September 2011

Die Gefährten - Part II

Die Lockere erschien in der ein oder anderen Episode von „Montags in der Kletterhalle“ auch als die Verbissene. Während manch einer sagen kann: „Okay, die Route liegt mir einfach nicht.“ oder „Sie ist mir noch zu schwer.“, ging die Lockere immer und immer wieder in die selben Routen und zeigte dabei einfach eine erstaunlich hohe Frustrationsgrenze. Manchmal war das von Erfolg gekrönt und manchmal eben nicht. Das war nicht gleich am Anfang so. Denn die Motivation aller drei zog sich erstmals allein aus der Tatsache, dass man schnell unglaubliche Fortschritte macht, wenn man anfängt regelmäßig klettern zu gehen. Hat man sich beim zweiten Klettertermin noch über die sauber gekletterte  4+ gefreut, die man ohne Ruhepause und andersfarbigen Griff nieder gemacht hat; war es beim dritten Treffen mit der Wand schon eine 5- und beim fünften eine glatte 5. Das ging erst mal so weiter und wahrscheinlich sogar schneller als hier beschrieben. Damals war das Durchsteigen ohne „Reinsetzen“ eigentlich auch noch gar nicht wichtig. Oben ankommen, das war wichtig! Und schwupps! hatte man ein bestimmtes Level erreicht, was es zu halten, nein eigentlich zu übertreffen galt. Das konnte nicht immer so weiter gehen. Irgendwann würde ja Schluss sein mit den rasanten Fortschritten. Der erste wichtige Meilenstein war eine  glatte 6 mit 15m in der Verschneidung. Da wir den Begriff Sloper noch nicht kannten, wurde die Route aufgrund ihrer charakteristischen Griffe einfach auf den Namen „die Titte“ getauft. Diese Strecke bekam einen Titel, weil sie die erste war, die uns länger als einen Klettertermin lang beschäftigte. Man musste sich ja nach dem Klettern über selbige austauschen. Übrigens all das geschah immer noch im Toprope. Alle 3 meisterten „die Titte“ und waren mächtig stolz. Immer deutlicher setzen sich uns dreien unterschiedliche Hürden in den Weg. Sei es die Psyche für die Ehrgeizige, Beweglichkeit für den Furchtlosen oder Kraft für die Lockere. Irgendwas kommt schon, was man gezielt bearbeiten muss, um weiterhin eine steigende Tendenz beim Klettern zu spüren.  Und eventuell muss man es ertragen und auch ertragen können eine Weile auf der Stelle zu treten ohne gleich das Handtuch zu werfen. Diese Weile kommt wahrscheinlich nicht bei jedem im gleichen Niveau und dauert auch nicht gleich lang. 
Bei der Lockeren kam der Punkt zuerst und das war rückblickend das härteste Los. Da der Push-Effekt, den eine homogene Gruppe für jedes Gruppenmitglied mit sich bringt, für sie nach und nach flöten ging. Aber das kristallisierte sich erst im Vorstieg heraus. Dabei sollte nicht außer Acht gelassen werden, was auch menschlich gesehen, hinter all solchen Entwicklungen steht und das dies mitunter für keinen Beteiligten leicht ist...

Samstag, 24. September 2011

Porträt der 3 Gefährten - Part I



Was bisher geschah...
...Lest ihr bitte in den vorangegangenen Posts! ;-)
Ja, jeden Montagabend trafen nun wir drei in einer Berliner Kletterhalle aufeinander und machten uns dort einen Namen.  Und bald auch einen Zweiten. Der Furchtlose, der zugegebenermaßen der Älteste in unserer Runde war, wurde bald „der Maschinist“ genannt, doch alsbald auch der Verletzte. Es fing mit der konsequent schmerzenden Schulter an und sollte lange, lange nicht enden. Na ja, eigentlich weiß ich nicht, ob es jemals endet. Nach Schulter, Knie, Tennisellenbogen links, Ringband des Ringfingers, dann des Mittelfingers rechts, Golferellenbogen links und rechts, sind wir heute wieder, immerhin 2 Jahre später, bei Tennisellenbogen links angelangt.  Und das alles obwohl der Furchtlose, der durch seine Furchtlosigkeit doch auch mal als der Leichtsinnige betitelt werden kann, sich nie ernsthaft beim Klettern verletzt hat. All das waren nur Überlastungsschäden. Und diese sollten wir demnächst mal eingehend betrachten.  Der Furchtlose klettert, um mal einen kleinen Ausblick zu geben, heute solide in 8ten rum, was uns vor 2 Jahren genauso unerreichbar schien, wie eine Reise zu einem fremden Planeten und die dortige Entdeckung außerirdischen Lebens zusammen. Man muss schon seinen Hut ziehen, dass der Furchtlose nach all diesen Rückschlägen am Ball blieb. Nicht, dass ihr denkt, er hätte irgendwann mal pausiert. Das geht nicht, wenn man süchtig ist. Und so bin ich, als sein Kletterpartner, einfach nur für jeden Tag dankbar, an dem er „nur“ Muskelkater hat...


Mittwoch, 21. September 2011

Der TopropeKurs - ein Einstieg

Ohne ganz genau zu wissen, was auf mich zukommen würde, meldete ich die Gefährten (immerhin 3 Frauen und 3 Männer) in einer Berliner Kletterhalle zum Toprope-Kurs an, um auch das Sichern zu erlernen. Denn die Abhängigkeit zu einem Gleichgesinnten wird schnell deutlich, wenn man gern klettern gehen möchte und merkt, man findet nicht so alsbald eine sogenannte „Sicherungsschlampe“.  Man kann es einfach nicht allein tun und es gibt nur ein paar Gründe, auch das merkte ich nach einiger Zeit, warum man mit einem anderen klettern geht, der schwächer klettert als man selbst: 1. Man findet keinen anderen. 2. Man hofft ein Talent zu fördern, dass einen schnell einholt und man es später als festen Kletterpartner integrieren kann. 3. Man verbringt unheimlich gern Zeit mit der Person oder möchte sie/ihn ins Bett kriegen wahlweise auf die Matte. 4. Es ist dein/e Partner/in wahlweise auch ein Verwandter und du fühlst dich dazu verpflichtet. (3. und 4. können durchaus Hand in Hand gehen.)  5. Du bist jemand, der das unglaubliche und unheimliche Talent besitzt sich ganz allein aus sich selbst heraus zu motivieren. Dass Motivation beim Klettern ein Themengebiet darstellt, das mehr als ein paar Zeilen abverlangt, kann man sich schnell zusammenbauen und in jedem Sachbuch nachlesen. Sie ist in großem Maße von deinem Umfeld bzw. deinen Kletterpartnern abhängig. In einer starken Gruppe klettern zu gehen, wird deiner Entwicklung äußerst zuträglich sein. Solltest du allerdings innerhalb dieser  Gruppe immer eindeutig den Nachzügler mimen, könnte dies deiner Motivation im Wege stehen.  Kurzum es muss nicht immer angenehm sein zum Klettern mitgenommen zu werden, wenn einer dieser Gründe auf deinen Sicherungspartner zutrifft.
Zurück zu uns 6 Kletter-Azubis. Wir absolvierten 2 mal 3 Stunden Lehrgang und konnten somit frei in die Halle entlassen werden.  Keiner von uns stellte sich untalentiert an, doch bereits hier kristallisierte sich heraus, für wen Vertrauen und Angst ein einnehmenderes Thema werden würde. Ich wurde von den 5 unterschiedlichen Personen gesichert, die zusammen mit mir denselben Lehrgang absolviert hatten und fühlte mich jeweils nicht annähernd in gleicher Art und Weise sicher. Ich bemerkte schnell, wie sich ein anderer Sicherungspartner auf meine Kletterleistung auswirken konnte. Und als es am 2. Termin zum Sturz/Falltraining kam, war es mir nur bei einer Person möglich, mich im wahrsten Sinne des Wortes fallen zu lassen.  Die Person aus der Truppe, die ich zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Jahre kannte. Und selbst dabei war „einfach-mal-loslassen“ keineswegs ein Kinderspiel, sondern ein kleiner Kampf mit meinen eingefleischten Ängsten.  Während einige dazu neigen einen Schrei, ein Stöhnen oder andere Geräuschkulissen zum Fall hinzuzufügen, fiel ich lautlos. Was hat man schon zu sagen, wenn man Suizid begeht? Ich fiel weich und sicher und ich tat es gleich noch mal... Es war scheinbar die letzte Barriere, die ich meistern musste, um einen neuen Teil meines Lebens zu beginnen.
Die Gruppe bestand grob eingeordnet aus dem Begabten, der Vorsichtigen, dem Furchtlosen, der Ehrgeizigen, dem Ängstlichen und der Lockeren. Um die Statistik gleich aufzuklären. 6 Personen kamen nach dem Kurs ein zweites Mal zum Klettern. 3  - ein drittes Mal. Diese drei investierten in eine Ausrüstung; sprich Schuhe und Gurt und versuchten einmal wöchentlich in der Halle zu sein – die Lockere, der Furchtlose und die Ehrgeizige...

Dienstag, 20. September 2011

Angefixt nach dem "allerersten Mal"

Wenn man, wie ich, so ein Nahtoderlebnis gemeistert hat, dann  begleitet es einen noch ein Weilchen und man trägt es in die Welt hinaus, man berichtet... 
Meine persönliche  Berichterstattung diente nicht meinem unglaublichen Mitteilungsbedürfnis (von meinen angsteinflößenden Bekannten wollte ich eigentlich nicht so viele in Kenntnis setzen und im Alltag konnte ich das auch gut verbergen), auch nicht der Abschreckung anderer,  sondern ich war auf der Jagd nach Gleichgesinnten. Anscheinend wollte ich noch einmal dieses Abenteuer bestehen, am liebsten mit anderen, mit denen der Gedanke an Vertrauen nicht ganz so weit entfernt schien. Was, außer Angst und all ihren Gesellen, hatte ich denn noch erlebt?  Was machte ganz subjektiv für mich den Reiz aus ein weiteres Mal klettern zu gehen? Die erste Antwort war der klare Fokus. Leider neige ich dazu, während ich eine Sache mache bereits über die nächste und oft auch die übernächste nachzudenken. Das führt zumindest bei mir regelmäßig zu dem Gefühl einfach enorm überladen zu sein. Das Klettern hatte es jedoch nicht nur geschafft mich meinem Alltag oder meinem Stress zu entziehen. Das sagt man ja einigen Sportarten nach und gefesselt hatte mich da noch nichts. Zugegebenermaßen  effektiv gesucht, hatte ich nun auch nicht. Sondern es hat meinen Kopf ordentlich durchgelüftet. Ich habe mich für Minuten ausschließlich auf eine Sache konzentriert. Auf eine Route. Auf ein Ziel.  Und auf alles was nötig sein würde, um dieses zu erreichen.  Und das führte viel schneller zum Erfolg als all die tausend Gedanken, die  ich mir sonst in mehreren Ebenen über ein Problem machte. Noch Stunden nach dem Klettern konnte ich das auf andere „Aufgaben“ übertragen. Die Fokussierung hinüberretten - eines nach dem anderen tun. Ich konnte Probleme durch ihre Analyse und Bearbeitung umwandeln in Herausforderungen, die ich gemeistert hatte. Mit der daraus resultierenden Kraft stürzte ich mich mit Schwung ins nächste Problem; in die nächste Herausforderung.  Frei nach Kletterweisheit erreichte ich einen Gipfel und sah von dort aus schon den nächsten...                                                                                                
Ein weiterer Punkt war meine Angst. Man könnte denken, wenn man in eine Situation kommt, die einem soviel Angst macht, wie mir mein erstes Mal Klettern, dann versucht man dieser Situation im weiteren Verlauf besser aus dem Weg zu gehen. Mein heutiger Kletterpartner, der nicht annähernd solch ängstlicher Natur ist wie ich, wundert sich diesbezüglich sehr. 
Meine begeisterten Reden waren letztendlich von Erfolg gekrönt und fünf Arbeitskollegen erklärten sich bereit mit mir einen Toprope-Kurs zu absolvieren...

Das allererste Mal


Worüber ich hier erzählen möchte ist ein kleines Kletterleben. Und gerade  heute erinnere ich mich an mein allererstes Mal. Es ist knapp 2 Jahre her, da hing ich zum ersten Mal am Seil. Ich betreute einen siebten Geburtstag mit und musste als ordentliche Autoritätsperson natürlich auch mal an die Wand. Nach einer Zeitspanne von 3 bis 4 m klopfte ein alter Bekannte an meine innere Tür –  die Höhenangst. Und er brachte ein paar Freunde mit: die Angst, dass das Seil reißt, die Angst, dass mein Sicherungspartner das Seil loslässt, die Angst, sich zu blamieren, weil man so viel Angst hat und noch ein paar andere angsteinflößende Gesellen. Da ich mir ja bewusst war, dass das Seil auf jeden Fall reißen wird, wenn ich mich hineinsetzte oder  -falle, gab es nur eine Möglichkeit: Ich musste mich auf meine Route konzentrieren und all meine menschliche und übermenschliche Kraft zusammen nehmen, um das Ziel zu erreichen. Ich sah nur noch blaue Griffe (Dass es Tritte gibt, wurde mir erst später bewusst.) und kam letztendlich oben an.  Ich war mir sicher, dass ich mich, der völligen Erschöpfung zum Trotz, nicht in dieses Seil setzen werde, sondern eher wieder runterklettere. Doch eifrige, teilweise penetrante Mutmacher wollten dies einfach nicht zulassen. Jetzt mal ehrlich, dass mir mein Instinkt verbietet, mich in 15m-Höhe in einen Stoffsessel zu setzen, der an einem 1cm dicken Faden hängt, kann ich ihm nicht übel nehmen, oder? Als ich dies, nach Anbetracht der Tatsache, dass alle anderen in der Halle das bereits überlebt hatten, doch tat, krallte ich mich zur Sicherheit noch mit den Händen an der Wand fest. Aber das wollten DIE mir auch noch verbieten. Ich sollte den Faden festhalten! Noch schlimmer: Ich sollte vertrauen... Dem Seil, dem Sichernden, dem Umlenker... Ganz schön viel Vertrauen für meinen Geschmack. Die Ängste lieferten sich ein heißes Match und in einem kurzen Moment gewann die Angst vor der Bloßstellung die Überhand und ich rief: "AB!" So wurde ich also doch mit fest zugekniffenen Augen abgeseilt und landete völlig heil auf dem Boden...  Dieses von mir eindeutig als Nahtoderfahrung wahrgenommenes Ereignis machte mich irgendwie stark. Realistisch gesehen hätte ich nur vor ein paar Fünfjährigen damit angeben können, aber  ich prahlte und strotze vor meinen alten Bekannten – der Höhenangst, der Angst, dass das Seil reißt, der Angst, das mein Sicherungspartner...